Donnerstag, 5. Juni 2025
Die Couch als möbeliger Physiotherapeut

So zärtlich wurde mir schon lange nicht mehr übers Knie gestreichelt. Mir wurde ganz warm. Das lag allerdings an der vorherigen Behandlung mit Ultraschall und der Creme, die im Anschluss für die Massage aufgetragen wurde. Die würde auch noch eine Weile nachbrennen und man solle, so man sie denn entfernen möchte, keinesfalls warmes Wasser dafür benutzen. Das öffne die Poren noch weiter und verstärke den Effekt. Bin ja aber ein harter Knochen und habe die Creme den ganzen Abend raufgelassen. Kein Wasser kam an meinen Körper.

Die Physio oder besser "manuelle Therapie" war in vielerlei Hinsicht anders als erwartet. Die Praxis liegt in einem Keller. Wahrscheinlich gingen die Räumlichkeiten als Souterrain-Wohnung durch; vielleicht war es vor vielen Jahren auch so angedacht, wurde dann aber zu eine Praxis für Physiotherapie.
Der Physiotherapeut nuschelt in echt bedeutend weniger als am Telefon. Es ist ein netter, älterer Herr mit einer etwas gedrungenen Anatomie. Dies wahrscheinlich altersbedingt. Der Bauch ist für den restlichen Körper zu groß, als wäre da ein Kissen unterm Shirt. Die Hände zeigen Anzeichen von Gicht; vielleicht auch nur verkrampfte Finger als Folge des ständigen berufsbedingten Herumknetens an Körperteilen. Das machte er nämlich bei mir. Er drückte an diversen Stellen rund ums Knie herum, erwischte die eine oder andere Sehne, die sich mit einem kleinen Nervensignal meldete und kam schließlich darauf, dass die Patellasehne sich mittlerweile beruhigt habe, dafür eine der seitlichen Sehne innen am Knie zur Rebellion entschieden habe. Tatsächlich ist das auch mein Eindruck. Die rebellische Sehne wurde dann mit Ultraschall geschmeidig, um nicht zu sagen gefügig gemacht und mit der brennenden Salbe vollends in einen Fiebertraum versetzt, um schließlich fachmännisch durchgeknetet zu werden. Zu diesem Zweck sitzt der Therapeut neben der Liege, mit dem Knie auf Augenhöhe und lässt seine Finger über das lädierte Knie gleiten. Die Bewegungen sind geschmeidig. Mit nach oben geschobener Brille, gesenktem Kopf und geschlossenen Augen scheint er mit dem Knie und der Sehne zu kommunizieren. Ich fühle mich an Tamme Hanken erinnert, er ist Tamme, ich bin das Pferd und warte jeden Moment auf einen festen Griff ans Knie, einen heftigen Ruck und ein lautes Knacken und danach ist alles gut. Aber das passiert nicht. Stattdessen wird das Knie weiter massiert und die böse Sehne bearbeitet. Auch die Patellasehne bekommt ein bisschen Zuneigung, damit der Schmerz nicht wieder zurückflutscht.

Danach kommen noch ein paar Übungen, bei denen man die Muskeln ganz leicht anspannt, das Gelenk aber in Ruhe bleibt. Das wird im liegen durchgeführt, man könne das auch ganz gut zuhause machen, auf der Couch zum Beispiel, da ist ja eine Lehne und die nimmt man als Gegenpart, als möbeligen Physiotherapeuten quasi. Das wird sich zeigen; gestern habe ich keine Übungen mehr gemacht, aber ich bin ja nun frisch im Game und hatte schon eine Session. Und morgen gleich wieder: die nächsten drei Termine sind gemacht, dann fehlen noch zwei, aber die besprechen wir nächste Woche.

Ich fühle mich erstaunlich gut aufgehoben. Wer hätte das gedacht, nach dem etwas suspekten Ersttelefonat. Dann schauen wir mal, wie das weitergeht.

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