Sonntag, 6. Juli 2025
Sonnenbrand an den Ellbogen und müde Beine

Auch am nächsten Morgen schmerzt noch jeder Schritt. Wer hätte gedacht, dass so ein langer Spaziergang (und das war es ja eigentlich. Es gab keine Höhenmeter, keine schwierigen Passagen... es waren simple Wege, die man problemlos gehen kann) einen dermaßen schlaucht. Natürlich sind 25 Kilometer nicht wenig, aber es ist nun auch keine Erstbesteigung des Mount Everest. Es war allerdings knackig warm und der Großteil der Strecke in der Sonne. Ein großer Dank an dieser Stelle an den Sportartikeldiscounter für das Angebot zum käuflichen Erwerb von Sonnenschutzmützen, das ich gerne angenommen habe. Sogar zweifach: neben der hässlichen Schirmmütze mit dem Stofflappen im Nacken habe ich noch eine Art hässlichen Sonnenhut mit Krempe. Beide Varianten sind sehr leicht und stören wenig und zumindest für den Hut kann ich sagen: er macht seinen Job und schützt vor der Sonne. Ob er dabei immer den Nacken so richtig schützt, weiß ich noch nicht, aber er gibt sein Bestes. Je nach Einstrahlwinkel ist er aber überfordert, das kann man ihm aber keinesfalls zum Vorwurf machen.
Schade übrigens, dass es keine Hüte für Ellbogen gibt. Da reagiert mein Körper anscheinend sensibel auf Sonneneinstrahlung. Sonnenbrand auf den Ellbogen hatte ich noch nie, habe das auch nie als Problem wahrgenommen, wurde nun aber eines besseren belehrt und kann sagen: auch Ellbogen sind Aspiranten für Sonnenbrand.

Ab Kilometer 15 wird es ein bisschen nervig. Man hat die ersten zwei Liter Wasser schon intus, außerdem ein kleines Vesper, aber keinerlei Lust mehr auf Sonne. Laufen ist an dem Punkt noch okay. Wenn man alleine unterwegs ist und Kopfhörer im Ohr hat, wäre das der Zeitpunkt für Punk, harten Metal oder Protestlieder aus den Siebzigern/Achtzigern. Alternativ Helene Fischer, um sich über was anderes aufzuregen als die Sonne. Ich war nicht alleine, hatte keine Kopfhörer, aber eine gute Grundlage in Form von jahrelang antrainiertem Stoismus. Das hilft ungemein bei stupidem Vorsichhingestapfe.

Ab Kilometer 18 werden die Beine schwer und die leise geflüsterten Flüche derber. Hunger hat meinen keinen, aber Durst. Sehr viel Durst. Das Wasser im Rucksack ist mollig warm; wie Tee ohne Geschmack. Es tut trotzdem gut, wenn auch die Wirkung nicht lange anhält. Kaugummikauen hilft, aber auch das nur eine Zeitlang. Es ist irgendwie alles doof. Und es zieht sich. Alles zieht sich. Die Zeit zieht sich. Die Strecke auch. Man beneidet die Menschen im Bus, der mit wohltemperierten Innenraum auf der Straße vorbeifährt. Man beneidet die Leute auf den Fahrrädern, die viel schneller unterwegs sind und dazu noch ein bisschen Fahrtwind genießen können. Am meisten beneidet man die Leute, die gerade zuhause im Schatten liegen und es sich gut gehen lassen.

Die letzten fünf Kilometer freut man sich, dass man das auch bald darf: faul im Schatten liegen, barfuß, ein kühles Getränk an der Seite und ein Eis in der Hand. Ein halber Kilometer geht sogar durch den Wald, eine kurze Strecke, auf der man sich abkühlen kann. Es hilft nur bedingt. Dann geht es in Richtung Ziel über einen Weg durch die Felder. Es ist heiß, die Felder sind verdorrt und dieses Bild bewirkt, dass es einem gleich nochmal heißer vorkommt. Irgendwann vibriert die Uhr am Handgelenk: 25 Kilometer. Das ist einerseits nicht schlecht, andererseits (da kommt der Pessismist bei mir durch) würde das beim offiziellem Marsch bedeuten: nochmal fünf Kilometer bis zum Ziel. Mir fehlen hier völlig die kompetitiven Gene. Ich denke mir nicht "Auf gehts! Das schaffe ich!". Stattdessen fluche ich, bin genervt, alles ist scheiße. Mist. Was soll dieser Rotz? Argh!
Dann denke ich an die armen Schweine, die sich für die 42 Kilometer-Variante angemeldet haben. Da sind es noch ein paar Kilometer mehr. Die Leute, die die 55-Kilometer-Version laufen, erkläre ich für völlig irre. Beim Blick auf die Uhr die Zahl 25 zu lesen und zu wissen, dass man somit noch nicht mal die Hälfte der Strecke geschafft hat... wer das ohne hysterischen Anfall hinbekommt, hat meinen größten Respekt. Und die Leute, die solche Aktionen wie "100 Kilometer in 24 Stunden" durchziehen - was stimmt nicht mit denen?

25,4 Kilometer. Am Ziel. Ernsthafte Bedenken, ob ich mich hinsetzen soll, weil: irgendwann muss ich ja wieder aufstehen und ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffe. Ich setze mich trotzdem hin. Beim Öffnen der Schnürsenkel meine ich, ein leises Zischgeräusch zu vernehmen. Ich ziehe ganz vorsichtig die Schuhe aus und die Socken von den Füßen. Es erinnert an die Szene aus Star Wars, als Darth Vader der Helm abgenommen wird und tatsächlich sehen auch meine Füße aus wie Anakin Skywalker in dem Moment. Aber: keine Blasen! Merci, liebe Merino-Schafe! Ihr seid die Besten!
Aufstehen war tatsächlich nicht einfach. Es wurde auch im Verlauf des Abends nicht einfacher. Duschen tat gut. Die Belohnungspizza war lecker. Aber am Besten war das Bett. Schon vorher war toll, als es merklich abkühlte. Keine Tropennacht mehr! Großartig. Und dann: liegen. Mit Kissen. Decke. Seitenschläferkissen. Das Fenster offen, Musik von den Schrebergärten weht herein. Noch ein paar Minuten Songs raten, aber dann fallen die Augen zu und die letzten Schritte des Tages führen in das Land der Träume. Wieso gibt es eigentlich keinen "Mammutschlaf"? Das wäre weniger anstrengend, wobei auch das nicht so ganz stimmt. Ich bin ein guter Schläfer, aber irgendwann ist dann auch mal gut und ich stehe auf. Beim Mammutschlaf müsste ich liegen bleiben und weiterschlafen. Würde mich bestimmt auch nerven. Vielleicht sind alle Dinge, die "Mammut" im Namen haben einfach nichts für mich. Andererseits auch logisch. Es impliziert, dass man etwas ausgiebiger macht, als üblich. Logisch ist das dann früher oder später nervig. Hat ja sicher seine Gründe, warum man ansonsten nicht so übertreibt mit diesen Aktionen.

Der heutige Sonntag steht im Zeichen der Rekonvaleszenz. Kein Lauf, keine Radtour. Nur faul rumliegen, lesen, TV, Frühstück, vielleicht ein Eis später, Katze kraulen. Und ein bisschen jammern, weil alles weh tut. Es bleibt die Erkenntnis, dass die 30 Kilometer Ende August auf jeden Fall machbar, dass 42 Kilometer für Angeber, 55 Kilometer für Streber und 100 Kilometer für Psychopaten reserviert sind. Und dass ich solche Aktionen nicht jedes Wochenende brauche. Aber vielleicht ein-, zweimal im Jahr? Schauen wir mal, wie das beim offiziellen Event sein wird. Mit ganz vielen anderen Menschen. Und ein paar Höhenmetern. Und überhaupt.

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