Montag, 15. Juli 2013
Übergangsjacke

Der Verfall geht weiter: ich habe jetzt eine Übergangsjacke. Ja, genau: eine Übergangsjacke. Das ist die Art von Jacke, über die ich früher immer gelästert habe bis der Arzt kam. Denn eigentlich ist es bei einem Mann ja so:

Kalt -> Jacke
Nicht kalt -> keine Jacke

Einfach, einprägsam und logisch. Frauen haben dagegen Jacken für alles und innerhalb dieses ohnehin breiten Spektrums an Jackeneinsatzgebieten gibt es dann noch die Zwischennuance „Übergangsjacke“. Mit Übergang ist die Phase zwischen warm und kalt gemeint. Also lauwarm. Die Zeiten, in denen es für eine Jacke eigentlich noch zu warm ist, aber die Temperaturen dann doch schon so sind, dass man ganz minimal frieren könnte. Eine Theorie besagt, dass das deshalb für Frauen so fies ist, weil die Brustwarzen auf diesen vermeintlichen (wenn auch nicht vorhandenen) Kälteeinbruch auf ihre so liebenswert sensible Art mit einer gewissen Steifheit reagieren und dass daraufhin einsetzende Reiben am Innenfutter des BHs - da es eine vollkommen unerotische Situation ist - als unangenehm empfunden wird. Fragen Sie mich nicht, wo diese Theorie herkommt. Von mir ist sie nicht. Oder vielleicht doch. Keine Ahnung. Ich meine mich zu erinnern, dass ich sie in einer feucht-fröhlichen Nacht in der Spelunke aufschnappte (wahrscheinlich in der „Übergangszeit“). Könnte also doch von mir sein. Klingt ja auch ein kleines bisschen logisch, finde ich. Wieso sollte Frau sonst eine Übergangsjacke wollen? Sowas führt doch nur dazu, dass sie auch neue, dazu passende Schuhe braucht. Eine Handtasche nicht zu vergessen. Ok, hier hätten wir also einen Grund: es geht um ein Alibi für neue Schuhe plus Handtasche. Ganz schön clever, diese Frauen, aber das wusste ich ja eh schon.

Tja, und nun habe ich selbst eine Übergangsjacke. Das kam so: ich war am Samstag in der großen Stadt, weil eine Bekannte eine Pulsuhr wollte und ich als Fachmann (ich habe nämlich auch eine, ergo: Fachmann) sollte beratend tätig sein. Als ob ich eine Ahnung von den Dingern hätte. Eigentlich ist es ja ganz einfach: viele Knöpfe, noch mehr Zahlen und Symbole auf dem Display, teuer = gut. Der Verkäufer im Laden argumentierte ähnlich, wenn er das auch anders ausdrückte. Er zählte eine Menge an beeindruckenden Funktionen auf, von denen ich nur die Hälfte verstand. Die Bekannte noch viel weniger. Also ich hätte das Ding sofort gekauft, mich eine Woche ins stille Kämmerchen eingesperrt und die ganzen Fachbegriffe auswendig gelernt, um damit danach vor jedem, der mir vor die Füße käme zu prahlen, während ich auf der tollen Uhr die vielen Knöpfe drückte. Frauen sind da aber anders. Die vielen Funktionen wären doch wohl komplett unnötig (was für eine bescheuerte Behauptung! Kann man doch nicht wissen, wenn man die Begriffe noch nicht mal kennt. Vielleicht sind gerade diese Funktionen total wichtig, das wichtigste überhaupt um nicht zu sagen: essentiell. Bestimmt wäre der Typ damals in Marathon nicht tot zusammengebrochen, hätte er so eine Wunderuhr mit all diesen kryptisch klingenden Funktionen gehabt.) und überhaupt… die Farbe. Schwarz und orange. Das ginge ja beides gar nicht. Das war der Moment, in dem ich den Verkäufer seinem Schicksal überlassen und mich ein bisschen abseits gestellt habe…

Mit dem Pulsuhrkauf wurde es letztlich nichts, über die genauen Gründe weiß ich nichts, ich wollte auch nicht nachfragen. Geht mich ja auch nichts an. Im Karstadt hatten sie dann übrigens auch welche, aber farblich auch alle nicht genehm (dabei waren da teilweise nur zwei, an manchen sogar nur ein Knopf!). Außerdem hatten sie Schlussverkauf und da ich sowieso noch ein, zwei Hemden wollte, habe ich mich mal umgeschaut. Simple, einfarbige Hemden waren vom Schlussverkauf ausgenommen, insofern blieben die außen vor, aber es gab zwei halbwegs annehmbare, die aufgrund des Preises ihren Weg in meinen Einkaufskorb fanden. Beim Schlendern Richtung Kasse plötzlich ein olivgrüner Farbstreif am Jackenhorizont: eine schimanski-esque Übergangsjacke zu einem sensationellen Preis.
Ich mag diese leicht abgefuckt wirkenden Schimanski-Jacken. Diese dezente Mischung aus Rebellion und doch nicht ganz beschissen aussehen. Und obwohl ich nie in der Bundeswehr war, übt dieses Natogrün (was „oliv“ ist, wie man mir sagte) schon immer einen gewissen männlich-herben Reiz auf mich aus. Mögen sich die mitlesenden Psychologen darum streiten, warum dem so ist, es ist jedenfalls so.
Die Jacke war noch dreimal da. Zweimal in Kindergröße (also S und M. Und damit meine ich Small und Medium, nicht S und M… ach lassen wir das) und einmal in normaler Größe. Vor einem Jahr hätte ich ob dieser „normalen“ Größe leise geflucht und hätte die Jacke ignoriert. Diesmal habe ich aber einfach mal getestet und siehe da: passt. Naja, so ziemlich. Mit viel gutem Willen und wenn ich darunter nichts anhabe. Da ich aber Übergangsjacken aber ohnehin nicht gewohnt bin, kann ich die auch oberkörperfrei - quasi als Pullover - anziehen. Das geht schon. Wobei… vielleicht gehts mir dann wie den Damen, deren Brustwarzen und dem BH! Vielleicht stört mich das dann total, wenn ich die Jacke quasi halbnackt anhabe und meine Brustwarzen… ach, egal. Man wird sehen. Außerdem ist noch ein bisschen hin bis zur Übergangszeit und vielleicht tut sich in der Zwischenzeit endlich wieder was, sodass ich ein sehr sehr dünnes Hemd und der Jacke tragen kann.

Jedenfalls bin in nun seit Samstag stolzer Besitzer eine Übergangsjacke. In Oliv. 24,95 hat sie gekostet, das gute Stück. Aber so langsam muss ich aufpassen: der Weg zur Herrenhandtasche ist nicht mehr weit.

referral   ... link (2 Kommentare)   ... comment