Mittwoch, 5. November 2025
Verdrängung ist innere Schonhaltung

Die große Katze ist merkwürdig drauf. Am frühen Morgen erschrecke ich sie unabsichtlich. Sie liegt in der Rumpelkammer unter der Couch, was ich nicht weiß. Als ich im Zimmer auf der Suche nach einer Jacke herumwühle, flüchtet sie aufgeregt. Das tut mir natürlich leid, aber sowas passiert schon mal. Diesmal ist sie aber über Stunden panisch und verstört. Sie sitzt draußen in sicherem Abstand auf einem alten Fußabtreter und schaut traurig. Erst am späten Nachmittag kommt sie dann doch mal rein, legt sich auf ein Kissen und bleibt dort die ganze Nacht liegen. Sie reagiert nicht auf den Fernseher, der sie sonst stört und dazu animiert, den Platz zu wechseln. Sie wirkt, als wäre sie tagelang auf Tour gewesen und einfach nur müde. Ich mache mir Sorgen.

Heute morgen liegt sie immer noch auf dem Kissen, aber sie meckert, als ich mich hinsetze und sie kommt auch gleich auf den Schoß. Das beruhigt mich etwas. Trotzdem muss ich mir eingestehen, dass sie zur alten Dame wird und auch, dass es irgendwann ein Ende hat.

Ich habe keine Ahnung, wie man damit umgeht und ehrlich gesagt, möchte ich mir auch keine Gedanken darüber machen. Als Meister der Verdrängung setze ich auch weiterhin auf eben jene Superkraft, die weder eine Kraft, noch super ist. Verdrängung ist doof, aber vermeintlich einfach. Hilft aber eben nur bedingt, weil sie - der Name gibt da einen dezenten Hinweis - nur verdrängt und nicht beseitigt. Die Gedanken und Bedenken sind auch nicht wirklich weg, sie wabern im Hintergrund vor sich hin, züngeln immer mal wieder durch und sind eine dauerhafte Bürde, die zwar gefühlt kleiner, aber weiterhin da ist. Verdrängung ist eine innerliche Schonhaltung, die kurzfristig den Schmerz verringert, aber er schimmert die ganze Zeit durch.

Ich werde aber nicht darum herumkommen, mich damit auseinanderzusetzen. Am Besten bald, auch wenn das Thema kein schönes ist.

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