Mittwoch, 19. Juni 2019
Der etwas andere Kollege

Ich habe seinen Namen im Firmenverzeichnis gelesen, aber hatte bisher noch nie mit dem Kollegen zu tun. Gesehen habe ich ihn auch schon kurz, aber wirklich nur kurz und mehr als ein schnelles Hallo war nicht drin. Heute habe ich ihn dann mal länger erlebt.

Am Morgen wunderte ich mich über die Gespräche, die er einem anderen Kollegen aufdrückte. Eigentlich Banalitäten, aber seine Wortwahl war ungewöhnlich, ohne dass ich konkret benennen könnte wieso. Es ging um Grillen bei den Nachbarn und den außergewöhnlichen Geschmack der Chicken Wings, die es dort gab. Über die Produktauswahl im Allgemeinen und dass es mit anderen Produkten gar nicht ginge. Es war alles in allem Small Talk, aber schon da fühlte es sich komisch an.
Später war ein großer Termin, bei dem er auch zugegen war - sogar in exponierter Rolle: er stellte eines seiner Projekte vor. Es ist ein technisches Projekt und da mein Anteil an der übergeordneten Sache diesen Bereich nur am Rande tangiert, war ich hier bisher auch nur wenig informiert. Das änderte sich schlagartig, als er dran war. Er berichtete von den Vorgaben, ging extrem in die Tiefe, nannte Details, die so komplex waren, dass wahrscheinlich nicht nur ich ausgestiegen bin. Er hob Dinge hervor, die meines Erachtens nicht hervorhebenswert waren und erwähnte wirklich alles, was man erwähnen kann. Ich war etwas genervt, weil ich eigentlich eine Bahn erwischen wollte und die Chance dafür mit jedem neuen Detail kleiner wurde. Die anderen hörten sich aber alles wohlwollend lächelnd an, was mich etwas wunderte.

Man merkte, dass er kein geübter Sprecher ist. Er verhaspelte sich hier und da und überhaupt wirkten die Sätze sehr konstruiert. Da fiel es mir zum ersten Mal auf. Auch, dass sein Blick zwar schon Richtung Projektion vom Beamer ging, aber nicht auf das eigentlich Bild, sondern immer nach rechts oben. Wenn man dann darauf achtet, fallen einem immer mehr Dinge auf. Die Zeichnungen im Notizbuch, Besonderheiten bei der Kleidung, die Art der Rasur...

Ich kenne mich nur bedingt mit Autismus aus, aber bin mir fast sicher, dass er Autist ist, wenn auch nur in einer schwachen Form. Wobei... letztlich kenne ich auch nur die Rainman-Variante plus den einen oder anderen Bericht über andere Autisten, bei denen man es den Betroffenen durchaus anmerkt, es aber nicht zuordnen kann und die auch ihr Leben eigenständig führen können.
Ihn direkt darauf ansprechen fände ich seltsam - vor allem, wäre es doof, wenn ich nicht recht habe. Das ist wie einer Frau zur baldigen Geburt gratulieren, obwohl sie nicht schwanger ist oder die Frisur von jemandem loben, der wegen Chemo eine Perücke trägt. Fettnäpchen warten überall und sie pflastern meinen Weg.

So oder so ist sein Projekt auf einem großartigen Weg und ich freue mich, wenn er uns über die weiteren Fortschritten informiert.

referral   ... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 17. Juni 2019
Armes Deutschland

Sie muss da jetzt raus aus dem Heim und sie hat gar nichts mehr, aber unsere neuen Mitbürger, die bekommen alles! Aber ihr hilft keiner!
Aus welchem Heim fliegt sie denn?
Sage ich nicht.
Und wieso fliegt sie da raus?
Weil das Amt die Mehrkosten nicht zahlt.
Welche Mehrkosten?
Keine Ahnung.
Es gibt plötzlich Mehrkosten und das Amt zahlt die nicht?
Genau. Und deshalb muss sie da raus, hat keine Möbel und nix.
Sag mal: welches Heim ist das, ich frage da nach.
Sag ich nicht.
Aber wie soll man denn dann helfen?
Niemand zahlt!
Es gibt Rechtshilfe kostenlos für Menschen, die sich das nicht leisten können.
Keiner zahlt! Sie braucht Möbel!
Nochmal: wo wohnt sie bisher, warum soll sie da raus, wann soll das sein und wer sind die Ansprechpartner?

Bisher keine sinnvollen Antworten. Armes Deutschland.

referral   ... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 14. Juni 2019
Abrisskommando

Seit zwei Tagen röhren ständig eine oder mehrere Kettensägen und ich wunderte mich schon, wo hier dieser gewaltige Garten sein soll, der einen derartigen Beschnitt nötig hätte. Tatsächlich wird aber eine alte Scheune zerlegt. Ich habe den Jungs dann mal eine zeitlang zugeschaut und sagen wir mal so: dass alle noch leben ist bemerkenswert. Da werden tragende Elemente weggeklopft, Balken von unten mit eben jener Kreissäge zersägt und jeder der mindestens vier Leute macht das, ohne auf die anderen und das zu achten, was diese tun. Zweimal war es auch knapp, als ein paar Steine dem Herrn mit der laufenden Kreissäge entgegen kamen und ihn nur knapp verfehlten. Immerhin ist der obere Bereich nun weg. Es fiel mit donnerndem Krach in sich zusammen, ein Teil rauschte in den Innenhof der Nachbarn (das war so auch nicht geplant), ein anderer Teil hat einen darunterliegenden Hühnerstall zerstört (der aber wohl auch weg soll). Und weiterhin: alle überlebt.

Dass die Scheune nicht von alleine in sich zusammengefallen ist, bleibt mir eh ein Rätsel. Wahrscheinlich wurde sie von den Unmengen Taubenkot im Inneren zusammengehalten, denn der Vorbesitzer "züchtete" ebensolche. Wobei züchten das falsche Wort ist: es gab in dieser Scheune einfach Unmengen von den Viechern, er hatte sie sicher irgendwann mal dorthin verfrachtet, aber sich dann nicht mehr weiter darum gekümmert. Manchmal sind sie als Schwarm wie ein Haufen aufgescheuchter Vögel auf einem Feld aus den immer offenen Fenstern im oberen Bereich der Scheune geflogen. Das war ziemlich laut und eindrucksvoll und machte Eindruck. Und oft nicht so schöne Flecken überall, denn die Tiere entleerten sich nicht nur in der Scheune, sondern gerne auch mitten im Flug. Woher sie das Futter hatten, das dafür natürlich auch nötig ist... keine Ahnung. Der Mann, der im dazugehörigen Haus vor sich hinvegetierte, hat sie vielleicht gefüttert. Vielleicht lagen in der Scheune aber auch grundsätzlich Dinge, die Tauben eben fressen. Ich war nie drin und will es auch gar nicht so genau wissen.

Der untere Bereich der Scheune steht noch, wird aber wohl in den nächsten Tagen weichen. Da die Einsturzgefahr und die Höhe des Gebäudes nun um einiges geringer sind, werden die Herren von der Abrissabteil das wohl auch noch lebend überstehen. Die nächsten Todesfallen werden später kommen, wenn man in Eigenregie baut, was immer da gebaut werden soll. Hoffentlich kein neuer überdimensionierter Taubenschlag.

referral   ... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 13. Juni 2019
Brave Kinder

Der Nachbarsjunge hat nun Rauchen für sich entdeckt. Ich dachte eigentlich, das wäre bei der heutigen Jugend kein Thema mehr, aber anscheinend verdient er zu gut in seiner Ausbildung. Und natürlich hat er auch noch zusätzlich eine dieser gewaltigen Shisha-Pfeifen. Dieses Phänomen kam plötzlich auf und ist nun allgegenwärtig. Sogar an den See werden diese Teile mitgeschleppt. Nun denn, meinetwegen. Dieser künstliche Apfelgeruch geht mir zwar auf den Geist, aber im Freien verfliegt das schnell und es gibt Dinge, die übler riechen. Zum Beispiel einige der Teenies an den Shisha-Pfeifen. Pubertät ist keine schöne Sache.

---

Ansonsten hört man erstaunlich wenig Drogengeschichten aus dieser Generation. Bei uns waren in dem Alter schon einige in U-Haft und nur kurz danach gabs auch die erste Überdosis. Ok, das war vorher und auch danach nicht mehr so extrem. Irgendwie war das nach einigen ruhigen Jahren mal wieder eine große Welle, die aber bald darauf auch wieder abebbte. Wahrscheinlich weil dann der Gesundheitswahn ausbrach und alle nur Müsli futterten und kifften vom Müsli wahrscheinlich mehr Leute gestorben sind als vom Kiffen.
Bei den Kids heute ist anscheinend der altbekannte Alk angesagt plus vielleicht die eine oder andere Kräuterzigarette. Von richtig harten Drogen hörte man aber bisher nichts. Kann noch kommen, aber ich bin geneigt, der Jugend eine gewisse Souveränität diesbezüglich zu bescheinigen. Wäre ja schön, wenn ich recht behielte.

---

Die Eltern sind anscheinend wieder zurück. Die mobile Shisha-Bar auf der Terrasse ist abgebaut und der Aschenbecher weg. Es ist als wäre nie etwas geschehen. Was kann man sich mehr wünschen. Brave Kinder.

referral   ... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 12. Juni 2019
Man(n) hat es nicht leicht mit sich und seinen Hormonen

Ein Tag wie im April. Die ganze Nacht Regen, am Morgen eine Sekunde lang Sonne, dann wieder Regen, dazu viel Wind. Am späten Nachmittag dann plötzlich Sonne, viel Sonne und man kann fast dabei zusehen, wie die Straßen trocknen. Das wirft meinen Plan von absolutem Nichtstun am Abend völlig über den Haufen, was aber gut ist, denn der Rotwein schlägt mit fast Siebenhundert Kalorien zu Buche und die sollten idealerweise auch irgendwie verbraten werden. Wurden sie dann auch und - natürlich - tat die frische Luft auch gut und überhaupt ist es eine gute Idee, seinen faulen Arsch in Schwingung zu versetzen. Dass es der Hausberg und der auch erstaunlich gut gemeistert wurde, macht es doppelt schön.

Tatsächlich habe ich sogar bei dieser Stadtradeln-Aktion mitgemacht und wurde in der offenen Gruppe unseres Kaffs zweiter. Sehr knapp zweiter. Ich hatte das Enddatum nicht auf dem Plan, sonst hätte ich die große Tour am Samstag vorgezogen. Nun denn, es gab eh nichts zu gewinnen, aber fürs Ego wäre es natürlich schon schön gewesen, aber nun denn... ich mach jetzt keinen auf Vettel und hacke das System, um die virtuellen Schilder umzustellen. Trotzdem ärgerlich. Hätte ich bei der Frau vom DJ mit angeben können und vielleicht hätte sie mir dann ihre Telefonnummer gegeben... aber ist auch nicht so wichtig. Ich habe eh schon jedesmal den Wendler im Ohr, wenn ich mit ihr spreche und das ist nicht schön... andererseits übertönt es das, was sie so von sich gibt.
Man(n) hat es nicht leicht mit sich und seinen Hormonen.

referral   ... link (0 Kommentare)   ... comment