Donnerstag, 9. Mai 2024
Die weniger doofe Abteilung

Eigentlich ist es wie bei jedem Dan Brown Buch und jedem Stirb Langsam Film und überhaupt wie aus dem Lehrbuch für Spannungserzeugung: sieh zu, dass es dem Helden schlecht geht, dann noch schlechter und wenn man denkt, es geht aufwärts, nochmal einen mit der Schaufel drüber. Und so wird aus einer Verlegung von der doofen Abteilung in die weniger doofe Abteilung (es geht aufwärts) ein neues Debakel mit neuen Medis, neuen Baustellen an bisher nicht betroffenen Stellen und einem immer schwächer werdenden Akku. Bei Pokémon wäre jetzt Zeit für eine Energiekarte. Die Nerven liegen blank, bei allen Beteiligten; irgendwann wird das immer wieder vorgebrachte "Durchhalten" auch zur eigenen Parole, aber natürlich sagt sich sowas auch leicht so neben dem Bett stehend, aufpassend, dass man auf keinen der herumliegenden Schläuche tritt. Und momentan bleibt auch wenig anderes als durchhalten. Wird halt nicht unbedingt leichter mit Zeit und es ist nun schon viel zu viel Zeit vergangen.

Auf der neuen, weniger doofen Abteilung sieht es genauso aus, wie auf der vorherigen. Der Unterschied hat sich mir noch nicht so genau erschlossen. Auch hier sind erstaunlich viele Fachkräfte unterwegs, vielleicht tatsächlich ein paar weniger als vorher, es blinken auch hier aus jedem Zimmer bunte Lichter an Maschinen und man kommt auch hier nicht einfach so ohne sich am Eingang anzumelden rein. Vielleicht ist bei der dieser Abteilung die Quote der Leute, die sie mit einigermaßen vorhandenem Puls verlassen höher, als bei der anderen Abteilung davor. Das wäre dann ja tatsächlich eine Verbesserung, wenn man hier landet. Über den Betten hängt jeweils ein Monitor, der den Puls aufzeigt (neben Blutdruck und Sauerstoffsättigung) und weil diese Abteilung zwar eine Verbesserung, aber trotzdem noch eine Abteilung für die Leute mit Aufmerksamkeitsbedarf ist, wird hier bei kritischen Momenten eine Warnung auf allen Monitoren eingeblendet, damit die Fachkräfte das auch auf jeden Fall mitkriegen - egal wie sie sind. DSGVO ist ja da eher zweitrangig; da wird dann der Screen des alarmgebenden Falls auf allen Monitoren als kleines Fenster mit eingeblendet. So sieht man auch als Besucher, das Max Mustermann gerade keinen Puls hat. Auch keinen Blutdruck oder Sauerstoffsättigung. Man kann dieses Fenster im Fenster auch wegklicken. Die Mitarbeitenden sind da so professionell, dass die wissen, wann das okay ist. Wenn zum Beispiel einfach nur neu verkabelt wird und dabei vergessen wurde, das den Maschinen zu sagen, die deshalb vom Schlimmsten ausgehen. Oder weil eben doch das Schlimmste passiert ist, aber das eben auch dazu gehört. Immer, aber speziell auch da. Auf der weniger doofen Abteilung.

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Mittwoch, 8. Mai 2024
Slipeinlage im Gesicht

Man hat mir Pflaster mitgegeben, die ich wechseln soll, wenn sie durchgesuppt sind. Sind sie weiterhin nach zwei Tagen. Naja, nicht wirklich durchgesuppt, aber da ist ein roter Fleck, der nicht schön aussieht und deshalb wechsle ich das Pflaster. Man gab mir zwei Größen mit: die eine Sorte ist quadratisch, die andere länglich. Da alles noch relativ frisch und neu ist, habe ich mir gestern das längliche Pflaster aufs Ohr geklebt. Diese Dinger halten erstaunlich gut und das Pflaster erledigt den ihm zugeordneten Job wirklich gut. Allerdings ist die Form suboptimal: es sieht aus, als klebe mir eine Slipeinlage auf der Backe. Das wirkt seltsam; eine Mischung aus verwirrt ("Oh, ich habe eine Slipeinlage im Gesicht? Hahaha, wie ist das denn passiert?") und dezent pervers ("Ja, ich habe eine Slipeinlage im Gesicht! Ich mag dieses Gefühl! Das macht mich an, na und? Das geht sie auch gar nicht an! Aber eine Frage: tragen Sie Slipeinlagen? Kann ich die später haben?"). Gesuppt hat es nur wenig, aber trotzdem werde ich nachher mal so ein kleines, quadratisches Pflaster aufbringen. Ich gehe unter Menschen, da möchte nicht verwirrter und/oder perverser rüberkommen als eh schon.

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Sonntag, 5. Mai 2024
Informationsbroschüre für Besucher

Es gibt eine Broschüre für Besucher. Darin werden die Räumlichkeiten erklärt, wer dort wie und was arbeitet, welche Maschinen zum Einsatz kommen (können), wie die Abläufe im Allgemeinen und manchmal auch im speziellen sind und so weiter. Man versucht die Besucher einigermaßen darauf vorzubereiten, was sie erwarten könnte. Es ist hübsch gemacht, aber auch offensichtlich ein Versuch, die Leute ein bisschen zu sensibilisieren, dass es vielleicht auch unschön werden könnte. So ein bisschen wie die Einblendungen bei Sendungen, die „Für Zuschauer unter 16 Jahren nicht geeignet“ sind. Wer sich also noch nicht dafür bereit fühlt, was da gleich kommt, lässt es besser bleiben.
Ich weiß nicht, ob ich mich bereit fühle, es wird mein erster Besuch auf einer Intensivstation, aber tatsächlich hat mich diese Broschüre ein bisschen beruhigt. Es schwingt ein „bei all dem Drama, was sie vielleicht sehen werden: wir wissen was wir tun und geben unser Bestes“ mit und das zu lesen legt eine zwar dünne, aber trotzdem ein kleines bisschen wärmende Decke über alles. Es ist noch nicht wohlig warm - natürlich nicht - aber auch nicht mehr fröstelig kalt. Und alles andere wird sich dann zeigen.

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Samstag, 4. Mai 2024
Bloggen von Stationen - Teil III

Die Frau ist zu Besuch. Man redet über die Kühe, welche Kuh hat gekalbt, bei welcher wurde die Nachgeburt gezogenn, welche Kuh hat welche Medikamente bekommen. Die Kühe haben keine Namen, sondern sind durchnummeriert. Wie Nummer 5, der noch lebt oder Nummer 6, der entführt wird und sich auf einer seltsamen Insel wiederfindet. Die Kühe stehen im Stall und geben Milch oder gebären Kälber. Und haben keine Namen, sondern Nummern. Die Kühe, um die es geht, sind dreistellig. Irgendwas mit Dreihundert. Eine davon wurde zu dritt wieder „nach oben geschoben“. Ich verstehe das alles nicht. Obwohl dem Gespräch eigentlich gut zu folgen ist. Es geht um das, was am heutigen Tag passiert ist. Das ist in einem Krankenhaus nicht viel. Also redet der Mann davon, dass er den Fernseher am Mittag an hatte, das der Tropf am Mittag viel langsamer lief als der am Morgen, welche Tabletten es gab und dann erzählt er von dem Youtube-Videos über Vögel, das er angeschaut hat, welche Vögel einen roten Kopf haben und ach ja, das lustige Video, wo ein Hund sich um ein paar Enten kümmert. Voll süß sei das und die Frau stimmt ihm zu. Dann erzählt er von dem Mittagessen und dem Wackelpudding, den es da gab. Solche Dinge erzählt er. Seinen Stuhlgang erwähnt er nicht, davon erfahren nur die Krankenpflegerinnen. Aber die fragen auch explizit, das braucht es eine Antwort. Ein simples Ja reicht. Wenn zu oft ein Nein kommt, werden sie hellhörig. Er sagt immer Ja, aber seiner Frau erzählt er das nicht. Und sie fragt auch nicht. Wäre auch komisch. Andererseits hat sie sich das Ohr zeigen lassen und auch geprüft, wie sich das entwickelt. Nicht so gut, meint sie. Und wie das denn hat sein können, dass es von jetzt auf nachher wieder so schlimm wurde. Aber das weiß nicht mal die Frau Professor und die sollte es ja wohl wissen. Manchmal passieren solche Dinge eben, meinte sie und hat wahrscheinlich völlig recht damit. Manchmal passieren solche Sachen.

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Drei Wochen soll ich pausieren. Und dann wird auch erstmal geschaut. Das sagte die Frau Professor zu mir. Später fragte ich eine Ärztin, die mir den Verband wechselte nochmal, wie das so sei, mit gechilltem Laufen und so. Wenn es nicht so anstrengend sei, wäre das schon okay. Aber wie definiert man anstrengend? An manchen Tagen fällt der Weg ins Büro schwer... ist das dann anstrengend und sollte ich das dann auch bleiben lassen? Für eine Woche wird das sicher der Fall sein. So lange bin ich noch krank gemeldet. Das trifft die Fabrik nicht so hart: am Donnerstag ist Feiertag und am Freitag habe ich eh frei. Sind also nur drei Tage, die ich wegen Vermeidung von Anstrengung ausfallen lassen muss. Stattdessen werde ich ein paar Bank- und stromwechselbedingte Dinge erledigen müssen. Ist sicher auch anstrengend, aber da komme ich nicht drum herum. Muss nur aufpassen, dass mein Puls nicht zu hoch geht und der Blutdruck auch unten bleibt. Vielleicht ist das die Definition von Anstrengung: wenn Puls und Blutdruck hochgehen. Das gilt an manchen Tagen auch bei der Arbeit - das ist dann also auf jeden Fall auch anstrengend.
Beim Joggen habe ich eine Sportuhr an. Die sagt mir, wie der Puls ist und je nachdem, wie der Bildschirm eingerichtet ist, zeigt sie mir auch, wie angestrengt ich bin. Daran könnte ich mich orientieren. Ich muss es so versuchen, weil ich ohne Entfrustungsläufe wahrscheinlich mittelfristig einen dauerhaften hohen Puls und Blutdruck hätte und dann würde auch kein Lauf mehr beim Entfrusten helfen, dann wäre das Limit zu hoch und das wäre nicht gut. Dann lieber langsam und genügsam, aber wenigstens ein bisschen entfrusten. Das hilft doch sicher auch bei der Rekonvaleszenz. Ganz bestimmt.

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Snickers fehlt hier völlig. Was soll das mit Wackelpudding? Okay, Snickers wäre vielleicht gefährlich wegen etwaigen Erdnussallergikern und wenn man vor kurzem noch intubiert war, kratzt das sicher auch im Hals. Aber Milky Way. Das würde doch gehen. Aber Wackelpudding?

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Heute verlasse ich diese Hallen, so der Plan. Es gibt nichts, was dagegen spricht, also wird das wohl klappen.

--- Bloggen von der Station ENDE ---

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Freitag, 3. Mai 2024
Geplant waren zehn Tage

Während ich nach zwei Tagen wieder in die Freiheit entlassen werde, liegt zehn Kilometer Luftlinie eine Person bald die vierte Woche in der Klinik. Geplant waren zehn Tage. Am Anfang lief alles gut, sah prächtig aus, natürlich ziepte und schmerzte und suppte es, aber das war klar. Nach diesem Eingriff. Die OP dauerte dreieinhalb Stunden, aber schon da ein Lichtblick: eine halbe Stunde weniger als angesetzt. Dass es dann zwei Tage in der Wachstation wurden war schon nicht mehr so ideal, aber auch das schien sich gut zu machen. Der erste Tag auf der „normalen“ Station war entsprechend von Optimismus geprägt und dem Gedanken, dass es ein Volltreffer mit den geplanten zehn Tagen werden wird. Dann hörte aber das von bösem Material befreite Organ nicht auf Sekret in den Bauchraum abzusondern. Auch als medizinischer Laie ist einem klar, dass das nicht gut ist. Um das Sekret loszuwerden, wird gespült. Das ist genau das, wonach es klingt: es kommt sehr viel Flüssigkeit in den Körper und spült dadurch das Sekret in am Körper befestigte Beutel. Somit sieht man, was Sache ist. So lange die Flüssigkeit im Beutel wie Ingwertee aussieht, ist das nicht gut. Und es wird weitergespült. Das ist anstrengend. Nochmal mehr für einen ohnehin geschwächten Körper. Sei es deshalb oder warum auch immer kam noch eine Entzündung dazu. Über das warum rätseln auch noch die Mediziner. Aber auch hier weiß der Laie: Entzündung ist nie gut. Sagen auch die Mediziner, weshalb neben austretendem Sekret auch noch die Entzündung bekämpft werden muss. Das ist nochmal anstrengender. Mittlerweile sind die zehn Tage auch längst vorbei. Anfang der Woche war die Entzündung im Griff. Ein weiter Weg. Und anstrengend. Aber geschafft. Ein Lichtblick am Horizont; Entlassung eventuell Anfang kommender Woche. Das wäre dann Woche vier.

Gestern dann die Nachricht, dass die Entzündung wieder da ist. Diesmal heißt es zurück auf die Wachstation. Auch heute morgen noch. Am frühen Nachmittag wird eine Drainage gelegt. Wahrscheinlich bedeutet das weiterhin Wachstation. Wie lange wird man sehen. Die Entzündung war jetzt ein paar Schritte rückwärts. Der nächste Schritt ist dann erst mal wieder „normale“ Station. Und dann irgendwann doch noch Raus aus der Klinik. Bis dahin ist es weiterhin anstrengend. In vielen Belangen.

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Bloggen von Station - Teil II

Tag 1 nach der OP. Lief wohl gut, aber wer weiß das schon, so dick wie das alles eingepackt ist. Ab und an suppte es gestern noch - ich kann also mit Fug und Recht, dass ich aus dem Ohr blutete und das, obwohl mich niemand zutextete. Heute suppt es nicht mehr, wobei jetzt eigentlich der richtige Zeitpunkt dafür wäre. Der Zimmergenosse konsumiert gerade irgendwelche Hetzmedien-Videos auf dem Handy, bei denen es übergreifend um die schlechte Politik der Ampel und der Untergang Deutschlands im Allgemeinen und die bösen Grünen und da an zuvorderst Ricarda Lang. Mein Ohr hat aber das Bluten eingestellt und das ist mir eigentlich auch lieber. Tatsächlich höre ich im wörtlichen Sinne nur mit einem Ohr zu, denn das andere ist noch vollgepackt mit medizinischem Verpackungsmaterial (das da auch noch eine Weile bleiben wird) und ich habe keinerlei Lust, den Mann vor dem Blödsinn zu retten. Würde auch nicht funktionieren, also vergebene Liebesmüh und solange ich nicht in Diskussionen reingezogen werde, kann ich damit auch leben. Und eins hat Ricarda Lang ihm voraus: sie hat keine eitrigen, entzündeten Ohren, die ständig aufgeschnitten werden und dann herumtriefen. Kommt vielleicht vom Hören dieses Schwachsinns. Aber egal. Die Welt rette ich, wenn ich wieder komplett auf den Beinen bin.

Raus komme ich wohl morgen schon, aber das ist noch zu früh für Heldentum. Die nächsten drei Wochen ist Sport nur eingeschränkt möglich. Marathon darf ich zum Beispiel keinen Laufen. Hatte ich auch nicht vor, aber zur Sicherheit habe ich mal nachgefragt. Kennt man ja, dass man versehentlich einen Marathon läuft und sich hinterher denkt: Ooops, hätte ich das überhaupt gedurft? Darf ich nicht, also lasse ich das. Aber den einen oder anderen gechillten Minilauf würde ich ja schon gerne... ach, mal schauen. Heute mittag ist Visite der Stationsärztin; die kann mir sicher genaueres sagen. Auch, wie die OP nun genau lief. Ich war zwar dabei, aber nicht so wirklich wach. Gott sei Dank! Im Narkoseraum habe ich auch die Geschichte von dem Arzt auf der Antarktisstation erzählt, dessen Blinddarm sich entzündete, der sich mangels Alternativen selbst operierte. Wäre nichts für mich. Bei ihm hat es aber geklappt; er hat überlebt. Hörtest hatte ich auch, aber nur via Knochenschall. Klar, der Gehörgang ist ja noch zu. Lief ganz okay, denke ich, aber auch hier werde ich näheres erst am Mittag wissen. Ansonsten wird das wohl ein fauler Tag. Quasi wie Brückentag - passend zum langen Wochenende nach dem ersten Mai. Bei mir halt via Krankmeldung und ohne Urlaub nehmen. Letzteres wäre mir trotzdem lieber gewesen.

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