Dienstag, 16. April 2019
Nicht ganz so geheime Geheimgespräche

Er habe ja ein weißes Jacket und gerade wenn es sehr heiß sei, wäre weiß ja ideal. Seersucker hieße das Material, er betont es falsch, aber sie versteht es sofort. Er heißt wie ich und sitzt in der Bahn zwei Reihen hinter mir. Sie reden laut, denke ich mir, das sollte vielleicht nicht jeder mitkriegen, aber das scheint den beiden egal. Sie haben sich zufällig getroffen, kennen sich aber gut. Wahrscheinlich nimmt sie üblicherweise die Bahn später und er eine ganz andere. Sie waren merklich überrascht, aber auch erfreut sich zu treffen und so ging es los mit Erzählungen über diesen und jenen und wo und weshalb und die diverse Kleidungsstücke, so auch das weiße Jacket, das man trägt, wenn es heiß ist und wenn Leute geladen haben, bei denen man einfach weiße Jackets zu tragen hat, denn die Feste dort, und das waren dann die Dinge, die man vielleicht eher leiser beredet. Was sie nicht taten. Dafür wurden sie später leise, als ich ausstieg und direkt daneben stand und ich habe überlegt, was noch weniger für die Öffentlichkeit bestimmt sein könnte als das, was sie eh schon in eben jene hinausposaunt hatten. Oder ist Öffentlichkeit nur Öffentlichkeit wenn es mehr als zwei Personen und diese auch noch in gleicher Fahrtrichtung sind, wenn sie aber im Gang Richtung Ausgang stehen, in entgegengesetzter Richtung, also quasi Auge in Auge, dann sind sie nicht mehr Öffentlichkeit, sondern Feind und dürfen keinesfalls hören was bei eben jenen so im Argen liegt, deren Hauptaugenmerk nicht auf familiären Zusammenhalt, sondern auf weißen Jackets bei sommerlich-heißen Gartenpartys liegt, bei denen offensichtlich ist, dass das Sexleben der Gastgeber im Argen und beide selten im gemeinsamen Ehe-, wohl aber desöfteren in anderen Betten zu liegen scheinen.

Es sind diese Momente, die mich den alljährlichen Ärger vergessen lassen, wenn ich wieder mal vergessen habe, meine BahnCard zu kündigen.

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